25 Jahre Delmenhorster Universitätsgesellschaft – Bericht von Christian Glaß

Am 8. September 1994 wurde in Delmenhorst der Verein „Universitäts-Gesellschaft“ (DUG) gegründet. Vorausgegangen waren Überlegungen der Landesregierung in Hannover, dem nordwestlichen Niedersachsen, das bezüglich der Ausstattung mit Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen gegenüber dem Süden der Republik weit abgeschlagen war, einen nachhaltigen Innovationsschub zu vermitteln. Die Universitäten in Bremen und Oldenburg erkannten sofort die Bedeutung dieses Ansinnens für die Wissenschaftsregion im Norden und begaben sich gemeinsam an dessen Umsetzung.

Eine der vielen zu klärenden Fragen war die nach dem Standort eines wissenschaftlichen Kollegs mit internationaler Ausstrahlung. Delmenhorst bekam schließlich den Zuschlag, weil es zwischen den (konkurrierenden) Städten Bremen und Oldenburg liegt, gewissermaßen auf „halbem Wege“, ein sehr attraktives Angebot für die lokale Platzierung der Gebäude und Anlagen machen konnte, und eben eine speziell und rasch auf die Ansiedlung des Projekts abzielende Gesellschaft ins Leben rief, die sich der Etablierung und Entwicklung eines explizit positiven Klimas in der Stadt annahm und auch erfolgreich wirkte. Die DUG versuchte von Anfang an, eine interessierte Öffentlichkeit in der Stadt – bis hin zur Wirtschaft in der Region – anzusprechen und zum Mitmachen zu bewegen. Deshalb wurde sofort ein anspruchsvolles Vortragsprogramm aufgelegt, das rasch zum festen Bestandteil des kulturellen Profils der ehedem (klein-)industriellen, kreisfreien Stadt wurde und nicht mehr wegzudenken ist. Seitdem ist Delmenhorst mit dem Hanse-Wissenschaftskolleg (HWK) auch international bekannter Wissenschaftsstandort.

Die Gründungsversammlung wurde vom damaligen Oberstadtdirektor, Dr. Norbert Boese, gesteuert. Einem On dit zufolge habe Boese die Liste der zur Gründung einzuladenden Persönlichkeiten (auch) aus dem städtischen Telefonverzeichnis zusammenstellen lassen, gezielt nach Titeln und vermutbarem akademischen Hintergrund.

Der auf der Gründungsversammlung gewählte erste Vorstand liest sich deshalb fast wie ein Who is Who der Stadt: 1. Vorsitzender: Chefarzt und ärztlicher Direktor der Städtischen Kliniken Dr. Knut Funke; 2. Vorsitzender: Dr. Christian Glaß, Hochschullehrer an der Universität Bremen; Beisitzer: Stadtrat Friedrich Hübner, Prof. Dr. Gerd Turowski, Prof. Gerhard Rösner, Frau Martina Thierkopf, Kulturwissenschaftlerin, Dr. Michael Adam; Schriftführer/Schatzmeister/Rechnungsprüfer: Berufsschuldirektor Rainer Quentin, Bankdirektor Hermann Mödden, Berufsschuldirektor Lübke, VHS-Direktor Manfred Balmes.

Das öffentliche Bekenntnis der neugegründeten Gesellschaft drückt von Anbeginn deutlich aus, dass sie „für alle offen“ ist, die sich zu Zweck und Zielen bekennen: „Kontakte und Beziehungen zur Wissenschaft im Allgemeinen und zu vier Hochschulen (in Bremen und Oldenburg) anzuknüpfen und zu pflegen. (…) Das soll durch die Veranstaltung von wissenschaftlichen Vorträgen und andere geeignete (Aktivitäten) geschehen, durch die Herausgabe von Mitteilungen, durch die Sammlung von finanziellen Mitteln und Beiträgen sowie Spenden“. Zielsetzungen und Zusammensetzung des Vorstands wurden von den direkt angesprochenen Hochschuleinrichtungen aus der Region – Universitäten Bremen und Oldenburg, Hochschule Bremen, Fachhochschule Oldenburg – ausdrücklich gebilligt.

In der Satzung wird die Absicht des Vereins betont, die Beziehungen zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft zu den Wissenschaften im Allgemeinen und den genannten Universitäten und Hochschulen sowie dem HWK und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zu fördern (In 2016 wurde der Zweck des Vereins auf die „Förderung der Volks- und Berufsbildung und der Studentenhilfe“ erweitert.)

Die „graue Maus“ Delmenhorst, gegründet vor ca. sieben Jahrhunderten als Ansiedlung um eine Burg, die in der Delmeniederung, auf einem Horst, einer trockenen Landinsel in einem Sumpfgebiet, errichtet worden war, hatte sich hiermit ein Gebilde gegeben, das sich um ein hochmodern ausgerichtetes, weltweit agierendes Wissenschaftslabor gruppiert fand.

In enger Abstimmung mit dem HWK ging man zügig daran, die DUG auf drei Standbeine aufzustellen und zu festigen. Zentrale Einrichtung ist ein fortlaufendes Vortragsangebot (1. Standbein), das, in der Regel vier Mal jährlich, einer interessierten Öffentlichkeit Themen unterbreitet, die geeignet sind, eine fruchtbare kultur- und gesellschaftspolitische Diskussion in Stadt und Region anzustoßen und am Laufen zu halten. Zu diesem Zweck sollen die ausgewählten Themen auf ein übergeordnetes, allgemeines Interesse abzielen, gewissermaßen „in der Luft“ oder „auf der Straße“ liegen. Dargeboten werden sie ausschließlich von wissenschaftlich ausgewiesenen Experten aus der gesamten Republik, die zudem über die Gabe verfügen sollten, sich umstandslos einem breiten, auch akademisch nicht in allen Belangen ausgebildeten Publikum verständlich machen zu können. Es kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass dieses Ansinnen über zweieinhalb Jahrzehnte zu aller Zufriedenheit eingelöst worden ist. Mit bislang etwa 120 Vorträgen wurde jeweils zwischen 50 bis 150 Besuchern auf diese Weise „Wissenschaft nahe gebracht“, wie ein zentrales Credo der Verantwortlichen Planer und Macher lautet. Thematisch reicht die Spannweite von einem sehr umfangreichen Komplex (ca. 25 Vorträge) zu übergreifenden Fragen des gesellschaftlichen, z.B. demografischen Wandels, der Gesundheit, des Alterns, der Generationenbeziehungen u.a. bis hin zu Speziellem (Integration, Gewalt/Kriminalität, Staatsverfassungen – ca. 12). Zahlreiche Angebote thematisieren Fragen, Probleme und Informationen zu Digitalisierung/Internet/Medien (12); Bildung/Schule/Lernen/Jugend (12); Wirtschaft (11); Ökologie und Verfassung der Welt (10); Neurowissenschaften/Psychologie/Religion/Literatur und Kunst (6) und nicht zuletzt Europa (9) – womit nicht einmal alle Vortragsangebote berücksichtigt sind.

Die Referenten im Einzelnen aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Berichts sprengen. Es war und ist für die DUG nie ein Problem, geeignete Referenten zu finden. Die enge Zusammenarbeit mit dem HWK samt der Nutzung der bestens geeigneten Räumlichkeiten desselben, beweist von Anfang an eine hohe Anziehungskraft. Man trat und tritt sehr gerne in Delmenhorst auf, selbst gegen – für die Branche jedenfalls – geringes Salär, bisweilen sogar ohne jedes.

Dieser Umstand wirkt übrigens einem kleinen Konstruktionsfehler des Vereins entgegen. Alle Angebote sind nämlich kostenlos, finanziert wird über Sponsoren, vornehmlich in der Stadt ansässige, sowie Mitgliedsbeiträge. Diese sind moderat: 36 Euro für natürliche, 60 Euro für juristische Personen. Seit einigen Jahren gibt es einen Partnertarif in Höhe von 54 Euro. Der derzeitige Mitgliederbestand beläuft sich auf etwas über 100 (natürliche und juristische) Personen.

Im Zusammenhang mit Vortragsangeboten ist ergänzend zu erwähnen, dass seit Mitte 2009 zusätzlich wissenschaftlich fundierte Beiträge öffentlich angeboten werden, die sich der unmittelbaren Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern über eine zukunftsträchtige Weiterentwicklung der Stadt annehmen. Sie finden in zentraler Lage statt, z.B. im CCD, der Markthalle, geeigneten Räumen von Schulen. Bei diesen Angeboten geht es um „Chancen und Risiken innerstädtischer Einkaufszentren“, „Die Stadt und das Auto“, „Stadtentwicklung bei leeren Kassen“, „Delmenhorst und seine Krankenhäuser“, „Pflege heute – Alter und Gesundheit“.

Diese gezielt platzierten Kontakte hinein in die Stadt hatten bereits in den Jahren ab 2003 Vorläufer in Aktivitäten mit und Unterstützungsvorhaben für städtische Einrichtungen – gewissermaßen das 2. Standbein der DUG. So wurden 2003 bis 2007 in Zusammenarbeit mit dem Delmenhorster Kreisblatt (DK) Wettbewerbe ausgerufen, bei denen Schulen der Stadt sich zu Themen äußern konnten, die besonders Kinder und Jugendliche interessieren: „Wie wird Schule in 2050 aussehen?“, „Leben in Delmenhorst in 2025“, „Jung und Alt in Delmenhorst – heute und in Zukunft“. Großzügig gesponsort von der Oldenburgischen Landesbank/OLB lösten sie beeindruckende Kreativität aus und zeitigten überraschende Ergebnisse, wovon sich die städtische Öffentlichkeit in Präsentationen, u.a. im Rathaus, überzeugen konnte. In 2008 beteiligten sich sechs Jugendhäuser an einem Projekt „Jugendarbeit in Delmenhorst“, in dessen Rahmen sie sich im Dezember desselben Jahres ebenfalls in einem Festakt im Rathaus vorstellten. Wiederum waren Partner das DK und Sponsor die OLB. 2010/2011 gerieten zwei weitere wichtige soziale Einrichtungen in der Stadt in den Fokus genauerer Betrachtung und Würdigung ihrer Arbeit: „Die Brücke“, Betreuung Jugendlicher in prekären Lagen, sowie die „Anlaufstelle für Straffällige – Beratung und praktische Lebenshilfe“, Düsternortstraße. Auch sie konnten sich im Rathaus öffentlich präsentieren und großzügige Geldspenden in Empfang nehmen. Neben den Sponsoren und dem DK beteiligten sich hieran auch der „Kriminalpräventive Rat“ (KPR) sowie die Drogenberatungsstelle Delmenhorst (DROB), die anschließend die Studie „Riskanter Konsum von Jugendlichen“ gemeinsam mit der DUG im HWK vorstellten.

Das 3. Standbein der DUG ist der Service für die „zahlenden Mitglieder“, ihnen werden von Anbeginn gemeinsame, kostenlose Unternehmungen angeboten (Ausstellungsbesuche, Exkursionen zu Sehenswürdigkeiten und interessanten Einrichtungen, Betriebe). Auch diese können hier nicht alle aufgeführt werden, beispielhaft hervorgehoben seien: in Bremen der Fallturm, Airbus und Astrium (EADS), OHB Systems/Raumfahrttechnik, Flugsicherung auf dem Airport, Radio Bremen, Bunker Valentin, Forschungszentrum künstliche Intelligenz; in Oldenburg z.B. das „Haus des Hörens“; die Documenta in Kassel (2007), das Kernkraftwerk Esensham/Stadland; in Delmenhorst selbst die Feuerwehr, der Flugplatz in Adelheide, die Fabrik Tönnjes, die Druckerei Rieck.

Dabei kooperiert der Vorstand immer wieder mit wichtigen Partnern, was auf eine solide Verankerung und Vernetzung der Gesellschaft in Stadt und Region hinweist. Zu nennen sind hier: Rat und Verwaltung der Stadt, Seniorenbeirat, KPR (Kommunaler Präventionsrat); Breites Bündnis gegen Rechts, DROB (Drogenberatungsstelle), Volkshochschulen in Delmenhorst und Ganderkesee. Eng verbunden ist die DUG mit dem Verein der Freunde und Förderer des HWK, dem Förderverein der Wirtschaft, besonders wenn es um die finanzielle Unterstützung von Fellowship-Stellen am HWK geht, wie schon einmal erfolgreich umgesetzt. Die Zusammenarbeit mit der lokalen Presse ist selbstverständlich und eine ständig aufs Neue zu pflegende Aufgabe.

Die DUG zählt seit ihrer Gründung im Jahre 1994 drei Vorstände. Der erste wurde von Dr. Knut Funke bis 2005 geleitet (seine Zusammensetzung ist weiter oben bereits benannt worden). Nach dessen Ausscheiden führte Dr. Christian Glaß (ab dem 2.3.2005) den Vorstand an; Herr Funke blieb vorerst Beisitzer. Als neuer 2. Vorsitzender wurde „auf einer harmonischen Mitgliederversammlung“ (DK vom 4.3.2005, S. 2) Verleger Dirk Schulte –

Strathaus gewählt; Schatzmeister Hermann Mödden und Schriftführer Rainer Quentin wurden in ihren Ämtern bestätigt, Dr. Michael Adam und Friedrich Hübner als Beisitzer. Neuer Beisitzer wurde Herr Uwe Opolka, Pressesprecher des HWK, was die Zusammenarbeit mit dem Kolleg noch fruchtbarer gestaltete. Außerdem wurde bis 2006 ein eigenes Logo entwickelt – ein stilisierter, gerüsteter Reiter über dem Namen der Gesellschaft -, was noch heute deutlich den eigenständigen Charakter des Vereins hervorhebt.

Der nächste Wechsel erfolgte am 1.10.2012. Dr. med. Hans-Christian Schröder übernahm den Vorsitz und leitet seitdem mit neu zusammengesetztem Vorstand. Als Mitglieder/Beisitzer von Gründungsbeginn gehören ihm an: Dr. Michael Adam, Friedrich Hübner., Dr. Christian Glaß, Hermann Mödden; neu hinzugekommen sind Herr Dr. Rainer Ochmann, sowie als Beisitzerinnen Frau Ursula Reimers und Frau Elke Schaffarzyk.

Während der letzten Jahre verstarben Herr Uwe Opolka, Herr Rainer Quentin und Herr Dirk Schulte Strathaus, denen für ihre Mitarbeit von allen Mitgliedern der Gesellschaft ein dankbares und ehrendes Andenken bewahrt wird.

Die Geschichte der Delmenhorster Universitäts-Gesellschaft kann zu Recht – wie im Titel dieses Beitrags formuliert – als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden. Erfolgreich für den Verein und seine fortwährenden Bemühungen selbst, aber auch für die Stadt insgesamt. Eine Stadt, die sich in ihrer Geschichte lange Zeit schwer getan hat, gesellschaftlichen Fortschritt in ihre Mauern einsickern zu lassen, ist in die glückliche Lage gekommen, mit dem HWK ein zukunftsträchtiges Projekt aufzunehmen und hat ob der Weitsicht einiger mutiger Entscheidungsträger beherzt zugegriffen. An ihrem südwestlichen Rande, auf einem sanften Hügel verkehrsgünstig gelegen, hat sie ein in die Welt ausstrahlendes und die Welt zu sich holendes Domizil für höchste wissenschaftliche Anstrengungen erstellen lassen, das ihr selbst zur Zierde geworden ist. Der Anteil der von rührigen Bürgerinnen und Bürgern Delmenhorsts gegründeten und getragenen Gesellschaft am Zustandekommen und Gedeihen dieses Zugewinns ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, ausdrücklich zu loben und aller Ehren wert.

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